Wagner, Geologie und Wünschelrute

Georg Wagner: Geologie und Wünschelrute
Naturwissenschaftliche Monatsschrift "Aus der Heimat", 63. Jahrgang 1955, Heft 1/2

Der Tübinger Geologieprofessor Georg Wagner berichtet hier aus eigener Erfahrung und anhand von Aussagen ihm persönlich bekannter Fachleute über die "Erfolge" der Rutengänger bei der Suche nach Grundwasser. Wagners unvoreingenommener Bericht hat besonderes Gewicht, weil er die Möglichkeit einer "Bodenfühligkeit" nicht grundsätzlich ablehnt.

"Der Verkehr mit vielfach kritik- und hemmungslosen Optimisten gehört zum Unerfreulichsten für jeden wissenschaftlich Denkenden. Einzelfälle werden sofort verallgemeinert, Mißerfolge rasch aus dem Gedächtnis gestrichen. Eigenberichte von Rutengängern sind mit allergrößter Vorsicht zu genießen.

"Die Geologen haben schon vor mehr als 400 Jahren (Agricola) die Wünschelrute mit aller Schärfe abgelehnt und ihre heutige Einstellung hat sich kaum geändert. Denn jeder hat seine schlimmen Erfahrungen mit Rutengängern gemacht. Und einer unserer Besten, Prof. Dr. Rudolf Richter, schreibt: "Überläßt man dem Scharlatan auch nur ein Körnchen Wahrheit ungeprüft, so wird es zu einer Lokomotive, die einen ganzen Güterzug voll Aberglauben und Humbug nach sich zieht."

"Hirsau wollte Thermalwasser haben. Fünf bekannte Rutengänger legten den Bohrpunkt fest ... In 50-60 m Tiefe sollte man 5.5 Sekundenliter Thermalwasser bekommen. Erst als diese Tiefe ohne Erfolg erreicht war, wurde der Geologe zugezogen.

"In Plochingen wollte ein Heilbronner Rutengänger und Geologe seine Kunst an einer auf der Karte eingezeichneten Verwerfung zeigen. Die Rute schlug auch prompt aus.. Prof. Wepfer hatte aber das Blatt neu kartiert und forderte ihn auf, auch noch die nächsten 200 m zu untersuchen, wo er aber nichts fand. Darauf zeigte Wepfer, dass gerade hier die Verwerfung durchzog, während an der gefundenen Stelle die Schichten ungestört lagen. Die Verwerfung war falsch eingezeichnet und - hatte die Rute zum Ausschlag gebracht!

"... Noch weniger erfreulich war die Erbohrung der Heilquelle Kirchberg an der Jagst. Sie sollte nach Aussage eines Rutengängers die Vorzüge der Bäder Mergentheim und Boll, Karlsbad und Wildbad vereinen, weil sie auf dem Schnitt der Verbindungslinien liege... Ich erfuhr von der Bohrung und erklärte, das ganze sei Unsinn, in der angegebenen Tiefe werde man gar nichts bekommen; erst in 60 m werde man gipshaltiges Salzwasser des mittleren Muschelkalks antreffen, das dann als großer Erfolg ausposaunt werde ... Und so geschah es dann auch. Es gelang dem Rutengänger noch, seine Geldgeber weiter zu schröpfen und ein kleines Bad anzulegen, das bald einging. Auf Einwände soll er geantwortet haben: "Wer eingeseift ist, wird auch rasiert".

"Die Öffentlichkeit erfährt nur ausnahmsweise etwas von den Misserfolgen, weil der Betroffene zum Schaden nicht auch noch den Spott haben will... Die Geislinger Zeitung berichtete am 31. 10. 1949: "Zauberin Wünschelrute. 170000 Liter im Tag". Der wirkliche Erfolg waren insgesamt 5 Liter Wasser, die mit einer Konservenbüchse ausgeschöpft werden konnten.

"Die Gutachten moderner Rutengänger werden oft durch seitenlange Abhandlungen über Schichtenbau und Tektonik eingeleitet, die sich allerdings meist als abgeschrieben entpuppen. Dabei werden wissenschaftliche Fachausdrücke in einer Weise missbraucht, dass dem Fachmann graust." (zitiert nach Weidenbach)

"Ein von mir angegriffener "Rutenforscher" wies auf seine Erfolge in Hohenheim hin. Als ich aber bei seinem "Kronzeugen" anfragte, teilte dieser mir mit, dass er im Stall zwar Reizstreifen festgestellt habe, aber gerade dort, wo die Tiere gesund waren, nicht dort, wo kranke standen."


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